Alles eine Frage des Geistes

Alles eine Frage des Geistes

Gedanken gleiten durch uns hindurch wie Wolken über den Himmel – flüchtig, formbar, oft unbemerkt. Mal sind es eigene Impulse, mal Stimmen von außen, die sich in unser Innerstes mischen. Fremdes wird zu Eigenem, Meinungen zu Überzeugungen – und was wir für Wahrheit halten, ist oft nur ein Standpunkt, geprägt von Erfahrung, Gewohnheit, Wunsch.

Heute Morgen hörte ich im Radio eine Sendung über „Unsicherheit und Ungewissheit“ – ein Thema, das den Nerv der Zeit trifft: Kriege, Krisen, Verschwörungstheorien, populistische Parolen von links und rechts. Der Beitrag zeigte, wie schnell wir uns in Angst verstricken, in scheinbaren Sicherheiten verlieren – und dabei vergessen, wie wandelbar die Welt ist. Wie wandelbar unser Geist.

Wenn wir uns mit unseren Gedanken identifizieren, verfangen wir uns leicht im Netz des Egos. Es will gefallen, erreichen, besitzen. Es sucht nach Reizen, nach Ablenkung, nach Bestätigung. So verlieren wir uns im Lärm des Alltags und klammern uns an Dinge, die uns scheinbar Halt geben – und doch nicht nähren.

Oft suchen wir nach Zeichen, nach Antworten, nach Richtung. Doch wahre Einsicht entsteht nicht im Sturm der Gedanken, sondern im Raum dazwischen. So wie der Wind nicht sichtbar ist, sondern nur durch seine Berührung erfahren wird, so zeigt sich Weisheit in der Stille.

Nehmen wir uns daher einen Moment – vielleicht bei einer Tasse Tee oder auf einem stillen Weg – um innezuhalten und zu spüren. Lassen wir uns berühren, wie einst die Jünger an Pfingsten, und empfangen wir den Geist der Verbundenheit und des Mitgefühls. In der christlichen Überlieferung ist es ein Geist, der Mauern durchbricht – der belebt, beflügelt, bewegt.

Auch im Zen kennen wir dieses Erwachen: Es geschieht nicht durch Anstrengung, sondern durch Hingabe. Nicht durch Festhalten, sondern durch Loslassen. Meditation öffnet den Raum für diesen inneren Wandel. Achtsamkeit verankert ihn im Alltag.

Achtsamkeit heißt: wirklich da sein – ohne Eile, ohne Urteil. Den Tee nicht nur trinken, sondern schmecken. Den Menschen nicht nur sehen, sondern wahrnehmen. Den Wind auf der Haut spüren, als wäre es das erste Mal.

Wenn wir achtsam leben, wird jeder Augenblick zu einem Tor. Wenn wir still werden. Wenn wir lauschen, statt zu sprechen. Wenn wir empfangen, statt zu greifen.

Pfingsten ist der Moment, in dem das Unsichtbare Form annimmt – in uns, durch uns, zwischen uns. Vielleicht ist dieser Sonntag eine Einladung, dem Leben neu zu begegnen. Achtsam. Mit offenem Herzen. Und dem leisen Vertrauen: Der Geist weht, wo er will. Auch hier. Auch jetzt.

 

 

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