Die drei Siebe der Wahrheit

Eines Tages kam ein Bekannter zum griechischen Philosophen Sokrates gelaufen. „Höre, ich muss dir berichten, wie dein Freund….“ „Halt ein“ unterbrach ihn der Philosoph. „Hast du das, was du mir sagen willst, durch drei Siebe gesiebt?“ „Drei Siebe? Welche?“ fragte der andere verwundert. „Ja! Drei Siebe! Das erste ist das Sieb der Wahrheit. Hast du das, was du mir berichten willst, geprüft ob es auch wahr ist?“

„Nein, ich hörte es erzählen, und…“ „Nun, so hast du sicher mit dem zweiten Sieb, dem Sieb der Güte, geprüft. Ist das, was du mir erzählen willst – wenn es schon nicht wahr ist – wenigstens gut?“ Der andere zögerte. „Nein, das ist es eigentlich nicht. Im Gegenteil…..“ „Nun“, unterbrach ihn Sokrates, „so wollen wir noch das dritte Sieb nehmen und uns fragen, ob es notwendig ist, mir das zu erzählen, was dich so zu erregen scheint.“ „Notwendig gerade nicht….“ „Also“, lächelte der Weise, „wenn das, was du mir eben sagen wolltest, weder wahr noch gut noch notwendig ist, so lass es begraben sein und belaste weder dich noch mich damit.“

Wie zu allen Zeiten, so wird auch heutzutage viel zu viel geredet und getratscht. Da wird vermutet, übertrieben und gelogen, um sich anderen gegenüber zu profilieren. Natürlich ist es notwendig, miteinander zu kommunizieren, aber wir sollten sorgfältig darauf achten, was wir reden. Wenn wir beispielsweise uns dazu hinreißen lassen, über andere zu lästern, dann sollten wir sofort innehalten und uns bewusst machen, was da eigentlich abläuft. Denn mit Worten kann sehr viel Leid erzeugt werden.

Hier scheiden sich die Geister. Während große Teile unserer Gesellschaft unter Karrierestreben, Gier, Neid, Sorgen und Einsamkeit leiden, haben wir uns dem achtsamen Umgang mit den Ressourcen der Natur und der menschlichen Gemeinschaft verschrieben. Wir wollen uns befreien von Angstzuständen, Schuldgefühlen, Melancholie und Depression, von Verschwendung und Unterdrückung, von Konsum als Ersatz für ein langweiliges Leben.

Eine Übung der Achtsamkeit wäre es, wahrhaftig und aufbauend reden zu lernen und nur so sprechen, dass Hoffnung und Vertrauen geweckt werden. Wer sich dazu entschließen kann, nichts Unwahres zu sagen, weder aus Eigeninteresse, noch um andere zu beeindrucken, der macht den ersten Schritt auf dem Zen-Weg. Dazu gehört auch, keine Nachrichten zu verbreiten, für deren Wahrheitsgehalt wir uns nicht verbürgen können und nichts zu kritisieren oder zu missbilligen, worüber wir nichts Genaues wissen. Andererseits sollten wir Unrecht nicht einfach geschehen lassen, sondern mutig dagegen vorgehen, selbst dann, wenn wir dadurch unsere eigene Sicherheit gefährden.

Ein Mangel an Kommunikation kann Trennung bewirken und Leiden schaffen. Gerade in unserer so schnelllebigen Zeit, sind mitfühlendes Zuhören und liebevolle Rede besonders notwendig. Deshalb wäre es gut, wenn wir achtsam zuhören könnten, ohne zu bewerten oder zu reagieren und es unterlassen, Worte zu äußern, die Zwietracht säen. Unser Ziel sollte es sein, die Kommunikation aufrechtzuerhalten, zu versöhnen und Konflikte zu lösen, so klein sie auch sein mögen.

Religiöser Fanatismus und Intoleranz haben zu allen Zeiten viel Elend über die Menschheit gebracht. Deshalb wollen wir keine Ideologien vergöttern und uns nicht an sie binden. Die überlieferten Lehren und Weisheiten des Zen-Buddhismus sind nur Hilfsmittel, die es uns ermöglichen, durch Meditation Verständnis und Mitgefühl zu entwickeln. Sie sind keine Dogmen, für die gekämpft, getötet oder gestorben werden sollte. Wir sind uns bewusst, dass unser derzeitiges Wissen keine unveränderliche, absolute Wahrheit ist. Da sich Wahrheit nur im Leben selbst findet, versuchen wir in jedem Augenblick, das Leben in uns und um uns herum achtsam wahrzunehmen.